Gepostet 11.12.2025, Bildung Schweiz
Immer mehr junge Menschen schliessen die Hochschule ab – und dennoch steigen die Arbeitslosenzahlen. Ein Studienabschluss ist heute keine Garantie mehr für den Einstieg ins Berufsleben, trotzdem wird die Zahl der Tertiärgebildeten laut der Bildungsprognose des BFS steigen.
Viele Hochschulabgängerinnen und Hochschulabgäger in wirtschaftlichen und technischen Studienrichtungen berichten derzeit von grossen Schwierigkeiten beim Berufseinstieg. Bereits während der Abschlussarbeit wird vielen bewusst, dass es aktuell kaum mehr Jobs gibt.
Ein zentraler Grund ist dabei, dass Einstiegsstellen in der Schweiz im ersten Halbjahr 2025 17 % im vergleich zum Vorjahr zurückgegangen sind. Verglichen mit dem Adecco Group Swiss Job Market Index ging die Gesamtzahl der ausgeschriebenen Stellen in der Deutschschweiz im selben Zeitraum um 7 % zurück, in der Westschweiz und im Tessin um 2 %.
Junge Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger stehen heutzutage vor einem deutlich härteren Wettbewerb als noch vor wenigen Jahren.
Auf eine einzige Stellenausschreibung treffen heute oft innerhalb weniger Stunden mehrere hundert Bewerbungen ein. Besonders betroffen sind Branchen wie die IT sowie der Banken- und Finanzbereich. In diesen Bereichen ist die Nachfrage nach qualifizierten Einsteigern zwar hoch, doch die Unternehmen schreiben weniger Juniorstellen aus.
Früher war es für Studierende üblich, sich über Interviews und Fallstudien im Rahmen der Masterarbeit frühzeitig bei Unternehmen zu positionieren. Diesen Türöffner strategisch zu nutzen war ein wichtiger Vorteil. Heute zeigen Erfahrungsberichte, dass Unternehmen deutlich zurückhaltender sind und solche Zugänge seltener anbieten.
Eine weitere zentrale Veränderung ist der technologische Wandel durch Künstliche Intelligenz. KI-Tools übernehmen heute einfache Tätigkeiten, die früher typischerweise von Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern erledigt wurden. Dazu gehören beispielsweise Rechercheaufgaben, einfache Analysen, administrative Arbeiten oder standardisierte Reportings.
Es fallen dadurch ganze Aufgabenbereiche weg, für die Unternehmen früher explizit Junior-Positionen geschaffen haben. Die Folgen davon sind Weniger ausgeschriebene Einstiegsstellen und ein deutlich härteres Auswahlverfahren.
Selbst wenn eine passende Stelle veröffentlicht wird, bleibt diese oft nur kurz online und erhält in dieser Zeit eine enorme Anzahl an Bewerbungen. Viele junge Bewerbende berichten, dass automatisierte Absagen bereits kurz nach der Einreichung ihrer Unterlagen eintreffen – oder dass überhaupt keine Rückmeldung des Unternehmens erfolgt.
Auf dem aktuell stark eingeschränkten Stellenmarkt haben besonders Informatikabsolventinnen und Informatikabsolventen Mühe, eine passende Einstiegsstelle zu finden. Eine Absolventin mit Master in Data Science und Informatik berichtet, dass es seit 2023 zunehmend schwieriger geworden sei, überhaupt zu Bewerbungsgesprächen eingeladen zu werden.
Während IT-Studierende früher auf Karrieremessen leicht Kontakte knüpfen konnten und Juniorstellen zahlreich ausgeschrieben waren, sind solche Möglichkeiten heute selten geworden. Trotz zweijähriger Praxiserfahrung und weiterführendem Master erhielt sie auf rund 60 Bewerbungen in Zürcher Techunternehmen fast ausschliesslich Absagen. Gleichzeitig sind die Bewerbungsprozesse deutlich aufwendiger geworden: Mehrere Interviewrunden, technische Aufgaben und mehrtägige Programmierprojekte sind inzwischen üblich. Der hohe Aufwand führt jedoch häufig trotzdem zu Absagen und stellt eine starke Belastung für viele Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger in der IT dar.
Schlussendlich müssen Hochschulabgängerinnen und Hochschulabgänger oft auf Praktika ausweichen, um überhaupt Fuss fassen zu können. Dies verschärft wiederum die Situation für Bachelor-Studierende, deren Chancen auf ein Praktikum gleichzeitig sinken.
Karrierezentren an Schweizer Hochschulen beobachten seit 2023 eine spürbare Verschlechterung des Arbeitsmarkts für akademische Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger. Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Zeit nach der Pandemie rechneten viele mit einer Erholung. Dass sich die Lage jedoch so stark zuspitzt, war für Fachpersonen nicht absehbar.
Immer häufiger berichten Studierende, dass Unternehmen auf Bewerbungen überhaupt nicht reagieren – sie werden also in moderner Sprache «geghosted».
Ein Hochschulabschluss galt in der Schweiz lange als nahezu sichere Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt. Aktuelle Daten zeigen jedoch, dass Akademikerinnen und Akademiker zunehmend von Unsicherheiten betroffen sind. Die Arbeitslosenquote bewegte sich 2023 bei rund 2,0 %. Im Oktober 2025 lag sie bei 2,9 % und verdeutlicht damit den Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Der Anteil der arbeitslosen Personen mit Hochschulabschluss ist in diesem Zeitraum deutlich gestiegen. Laut diversen Medienberichten ist der Anteil der Arbeitslosen mit Hochschulabschluss seit 2022 auf über 34 % gestiegen
Laut der Bildungsprognose des Bundesamt für Statistik (BFS) wird das Bildungsniveau der schweizerischen Bevölkerung in den nächsten Jahren voraussichtlich deutlich ansteigen. Gemäss dem Referenzszenario werden im Jahr 2028 über 50 % der Personen zwischen 25 und 64 Jahren eine Tertiärausbildung (höhere Berufsbildung oder Hochschulen) abgeschlossen haben. Bis 2045 wird dieser Anteil auf etwa 62 % anwachsen.
Wer in einen angespannten Arbeitsmarkt startet, muss oft Umwege gehen – über befristete Projekte oder Praktika. Es kommt nicht mehr nur auf Fachwissen und technische Fähigkeiten an – entscheidend sind auch Kommunikationsstärke, Lernbereitschaft und ein starkes berufliches Netzwerk.